Ergebnisse vor 1990

Die Studie wurde von 1987 (Welle 1) bis 1989 (Welle 3) durch das Zentralinstitut für Jugendforschung in Leipzig durchgeführt. Es handelte sich um eine von zahlreichen Untersuchungen, die das Institut bei DDR-Jugendlichen durchführte. Die Fragestellungen in jener Zeit waren auf die damaligen Bedürfnisse abgestimmt. So wurde z.B. viel nach der Tätigkeit der/in der Freien Deutschen Jugend (FDJ) gefragt. Die TeilnehmerInnen waren bei der ersten Befragung in der 8. Klasse der Polytechnischen Oberschule und ca. 14 Jahre alt.

Das Titelbild der Seite zeigt den 1. Fragebogen der Studie aus dem Jahr 1987. Auch damals wurde die Freiwilligkeit der Studienteilnahme betont: „Ihre Mitarbeit ist freiwillig“. Eine Studienteilnehmerin erinnerte sich 2019: „Ich erinnere mich noch: Es war in der 8. Klasse der Pablo-Neruda-Schule in Leipzig, als eines Tages ein Mann vor unserer Klasse stand und sagte, dass wir alle an einer Befragung teilnehmen sollten. Wer das war, weiß ich nicht mehr. Aber er war wohl vom Zentralinstitut für Jugendforschung. Einige Klassenkameraden machten da nur widerwillig mit.“

Im Internet war eine Zeitlang zu lesen: „Es kam eigentlich einfach über uns. Das heißt, wir »mussten« an der Studie teilnehmen unter den Adleraugen unserer damaligen Klassenlehrerin. Aber insgesamt gesehen hat es uns allen Spaß gemacht (anstatt russisch zu pauken, mussten wir halt die Fragen beantworten). Was genau damals gefragt wurde, weiß ich nicht mehr. Allerdings kann ich mal schauen, ob das andere noch wissen, denn zu meinen meisten Klassenkameraden habe ich heut noch Kontakt. Wir hatten auch erst ein spontanes Klassentreffen, daher weiß ich, dass viele noch da mitmachen.“ (zitiert nach Berth et al., 2012, S. 16).

Abbildung: Politische Einstellungen vor der Wiedervereinigung, (c) (r) Sächsische Längsschnittstudie, Prof. Dr. Hendrik Berth

Die Abbildung zeigt aus den ersten drei Erhebungswellen die zustimmenden Antworten auf die Fragen/Aussagen:

1) Ich habe in der DDR eine gesicherte Zukunft.

2) Ich fühle mich mit der DDR als meinem sozialistischen Vaterland eng verbunden.

3) Dem Sozialismus gehört die Zukunft. Trotz zeitweiliger Rückschläge.

4) Der Marxismus-Leninismus hilft mir, auf alle wichtigen Lebensfragen eine richtige Antwort zu finden.

In allen vier abgefragten Themenbereichen findet sich ein deutlicher Rückgang der zustimmenden Antworten von Welle 1 (1989) bis Welle 3 (1989). Diese Daten zeigen also, wie die Jugendlichen ihre Heimat DDR zunehmend kritischer beurteilen, ihre Unzufriedenheit wächst. Die Zunahme der Kritikbereitschaft steht auch in Zusammenhang mit der Entwicklung der Jugendlichen von ihrem 14. (1987) bis zu ihrem 16. Lebensjahr (1989). Sie entwickeln eine eigene politische Meinung und sind bereit, sich auch kritisch zu äußern. Die höchste Zustimmung findet stets die Aussage, in der DDR eine gesicherte Zukunft zu haben. Mit 94 bis 97 % Zustimmung sind sich in den drei Jahren fast alle sicher, dass ihre Zukunft gesichert ist.

Zuversicht, in der DDR bzw. in Ostdeutschland eine gesicherte Zukunft zu haben (1987 – 2018, Zustimmung in %), (c) (r) Sächsische Längsschnittstudie, Prof. Dr. Hendrik Berth

Mit der deutschen Wiedervereinigung bricht der Glaube an eine gesicherte Zukunft in (nunmehr) Ostdeutschland ein. Nur noch wenige sind davon überzeugt, in den Jahren 2005 und 2006 nur 12 %. Erst danach steigt die Zukunftszuversicht langsam wieder an. Bei der letzten Ergebung betrug sie 36 %. Auch das ist noch nicht ganz das Niveau von 1992 und sehr weit weg von 90 % aus der Vorwendezeit.

Mit der Welle 3 im Frühjahr 1989 war die Studie eigentlich abgeschlossen. Eher durch einen Zufall wurde erfragt, wer zukünftig bei weiteren Erhebungen mitmachen würde. 587 Personen haben sich dazu bereit erklärt. Diese bilden bis heute die Studienpopulation der Sächsischen Längsschnittstudie (Mehr: Geschichte).

Quellen:

Förster, P. (2002). Junge Ostdeutsche auf der Suche nach der Freiheit. Eine systemübergreifende Längsschnittstudie zum politischen Mentalitätswandel vor und nach der Wende. Opladen: Leske + Budrich.

Berth, H., Förster, P., Brähler, E. & Stöbel-Richter, Y. (2007). Einheitslust und Einheitsfrust. Junge Ostdeutsche auf dem Weg vom DDR- zum Bundesbürger. Eine sozialwissenschaftliche Längsschnittstudie von 1987-2006. Gießen: Psychosozial-Verlag.

Berth, H., Brähler, E., Zenger, M. & Stöbel-Richter, Y (2012). Die Sächsische Längsschnittstudie – Informationen zu einer aussergewöhnlichen Untersuchung. In H. Berth, E. Brähler, M. Zenger & Y. Stöbel-Richter (Hrsg.), Innenansichten der Transformation. 25 Jahre Sächsische Längsschnittstudie (1987 bis 2012) (S. 15-28). Gießen: Psychosozial-Verlag.