Arbeitslosigkeit

Im Zuge der deutschen Wiedervereinigung kam es zu massiven Veränderungen in der Wirtschaft Ostdeutschlands, die u. a. zur Folge hatten, dass sehr viele Menschen ihren Arbeitsplatz verloren und sich beruflich neu orientieren mussten. Bis heute sind, trotz eines wirtschaftlichen Aufschwungs in den vergangenen Jahren, die Arbeitslosenquoten in den neuen Bundesländern etwa doppelt so hoch wie im Westen Deutschlands.

Das Thema Arbeitslosigkeit ist seit den 1990er Jahren ein wichtiges Thema in der Sächsischen Längsschnittstudie. Seit der 16. Welle (2002) stellen die gesundheitlichen Folgen von Arbeitslosigkeit auch einen der Studienschwerpunkte dar. Als 1996 in der Studie das erste Mal nach Arbeitslosigkeitserfahrungen gefragt wurde, waren bereits 50 % von ein- oder mehrmaliger Arbeitslosigkeit betroffen. Die TeilnehmerInnen waren zu diesem Zeitpunkt etwa 23 Jahre alt.

Abbildung: Arbeitslosigkeitserfahrungen 1996-2018, (c) (r) Prof. Dr. Hendrik Berth, Sächsische Längsschnittstudie

Bis zum Jahr 2008 waren über 70 % der TeilnehmerInnen von ein- oder mehrmaliger Arbeitslosigkeit betroffen. Der scheinbare Rückgang der Arbeitslosigkeitserfahrungen nach 2008 kann darin liegen, dass durch die TeilnehmerInnen Erfahrungen von Arbeitslosigkeit in den vorangegangenen Jahren „vergessen“ wurden. Für Berechnungen werden dann die jeweils maximal berichteten Erfahrungen herangezogen. Große Unterschiede gibt es zwischen Männern und Frauen. Frauen waren zu allen Erhebungszeitpunkten etwa doppelt so lange von Arbeitslosigkeit betroffen. 2018 (Welle 30) betrug die mittlere Arbeitslosigkeitsdauer bei Männern 7,5 Monate, bei Frauen 14,5 Monate.

Abbildung: Arbeitslosigkeit und psychische Belastung 1996-2018, (c) (r) Prof. Dr. Hendrik Berth, Sächsische Längsschnittstudie

Die Abbildung zeigt, dass die psychische Belastung bei Personen mit ein- oder mehrmaliger Arbeitslosigkeitserfahrung deutlich höher sind, als bei Personen, die niemals arbeitslos waren. Als Messinstrument kam hier der Distress-Score (D-Score), eine Eigenentwicklung der Sächsischen Längsschnittstudie, zum Einsatz. Auch in vielen anderen, etablierten psychologischen Messinstrumenten finden sich diese Unterschiede (z. B. Depressivität, Lebensqualität). Dies ist in zahlreichen Publikationen aus der Studie dargestellt. Arbeitslosigkeitserfahrungen wirken sich aber auch negativ auf die körperliche Gesundheit der Betroffenen aus.

Abbildung: Arbeitslosigkeitserfahrungen und Nikotinkonsum 2004-2018, (c) (r) Prof. Dr. Hendrik Berth, Sächsische Längsschnittstudie

Die Abbildung illustriert einen Zusammenhang zwischen Rauchen und Arbeitslosigkeitserfahrungen. Der prozentuale Anteil der RaucherInnen ist in den Gruppen mit Arbeitslosigkeitserfahrungen deutlich höher als bei den Personen, die nie arbeitslos waren. Auch beim Alkoholkonsum, Körpergewicht, Körperbeschwerden oder dem selbsteingeschätzten Gesundheitszustand finden sich ähnliche Unterschiede. Arbeitslosigkeitserfahrungen wirken sich daher negativ auf das psychische und physische Befinden aus.

Quellen (Auswahl):

Berth, H., Förster, P. & Brähler, E. (2003). Arbeitslosigkeit und Gesundheit. Ergebnisse einer Studie bei jungen Erwachsenen. Jahrbuch für Kritische Medizin, 39, 108-124.

Berth, H., Förster, P. & Brähler, E. (2003). Gesundheitsfolgen von Arbeitslosigkeit und Arbeitsplatzunsicherheit bei jungen Erwachsenen. Das Gesundheitswesen, 65, 555-560.

Berth, H., Förster, P., Balck, F., Brähler, E. & Stöbel-Richter, Y. (2008). Arbeitslosigkeitserfahrungen, Arbeitsplatzunsicherheit und der Bedarf an psychosozialer Versorgung. Das Gesundheitswesen, 70, 289-294. 

Berth, H., Förster, P., Balck, F., Brähler, E. & Stöbel-Richter, Y. (2008). Was bedeutet Langzeitarbeitslosigkeit für junge Erwachsene? Ergebnisse der Sächsischen Längsschnittstudie. Verhaltenstherapie & Psychosoziale Praxis, 40, 87-97.

Berth, H., Förster, P., Hämmerling, E., Brähler, E., Zenger, M. & Stöbel-Richter, Y. (2012). Unemployment and health in East Germany: The Saxony Longitudinal study. In T. Kieselbach & S. Mannila (Hrsg.), Unemployment, Precarious Work and Health. Research and Policy Issues (S. 251-262). Wiesbaden: VS Verlag.

Berth, H., Förster, P., Brähler, E., Fleischmann, A., Zenger, M. & Stöbel-Richter, Y. (2013). Arbeitslosigkeit und körperliche Gesundheit – Ausgewählte Ergebnisse einer Längsschnittstudie. In H. Fangerau & S. Kessler (Hrsg.), Achtung und Missachtung in der Medizin. Anerkennung und Selbstkonstitution als Schlüsselkategorien zur Deutung von Krankheit und Armut (S. 215-232). Freiburg: Alber.

Zenger, M., Berth, H., Brähler, E. & Stöbel-Richter, Y. (2013). Health complaints and unemployment: the role of self-efficacy in a prospective cohort study. Journal of Social & Clinical Psychology, 32, 95-112.